In der medizinischen Praxis sind Aufklärungspflicht und korrekte Behandlung essentiell für das Wohlergehen der Patienten. Ein Fall aus unserem Kanzleialltag zum Thema Aufklärungspflicht bei intramuskulärer Injektion verdeutlicht dies eindringlich: Ein Mandant, der wegen Rückenbeschwerden seinen Hausarzt aufsuchte, erhielt ohne angemessene Aufklärung intramuskuläre Injektionen eines Medikaments. Die Folgen waren schwerwiegend: Eine Spritzenabszessbildung führte zu einem inkompletten Querschnitt beim Patienten.

Aufklärungspflicht bei intramuskulärer Injektion, Ärztin klärt Patientin auf
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Die Untersuchungen enthüllten grobe Behandlungsfehler seitens des Arztes, einschließlich der nicht indizierten Anwendung des Präparats und der fehlenden Reaktion auf Komplikationen. Die Klärung des Sachverhalts und die erfolgreiche Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen verdeutlichen die Bedeutung korrekter ärztlicher Aufklärung und Indikationsstellung.

Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Aspekte dieses Falls und unterstreicht die Pflichten des medizinischen Personals sowie die Rechte der Patienten bei Behandlungsfehlern.

Übersicht:

  1. Einleitung: Der Fall unseres Mandanten
  2. Verschlechterung der Beschwerden nach der Injektion
  3. Diagnose: Spritzenabszess und inkompletter Querschnitt
  4. Ergebnisse unserer Recherche: Fehlende Zulassung und Aufklärung
  5. Klage und gerichtliche Verfahren
  6. Gutachten: Bestätigung der Behandlungsfehler
  7. Der Wunsch des Patienten und die Pflicht des Arztes
  8. Vergleich: Erfolgreiche Einigung im Verfahren
  9. Aufklärungspflicht bei intramuskulärer Injektion: Fazit
  10. FAQ

Einleitung: Der Fall unseres Mandanten

Unser Mandant war bei seinem Hausarzt in der Vergangenheit mehrmals wegen bestehender Rückenschmerzen vorstellig. Nachdem am 01.10.2020 erneut starke Rückenbeschwerden bestanden, begab sich unser Mandant zu seinem Hausarzt. Dort wurde unserem Mandanten – ohne vorherige Aufklärung über Behandlungsalternativen – das Präparat Ambene intramuskulär injiziert – mit schwerwiegenden Folgen.

Verschlechterung der Beschwerden nach der Injektion

Unmittelbar nach dem Setzen der Spritze zeigte sich bei unserem Mandanten eine Zunahme der Beschwerden. Es kam zu einer Blasenentleerungsstörung. Aufgrund der zunehmenden Beschwerden wurde unser Mandant am 05.10.2020 erneut bei seinem Hausarzt vorstellig. Dieser verabreichte – trotz der bereits bestehenden Blasenentleerungsstörung – erneut eine Spritze mit Ambene, ohne auch diesmal über die Möglichkeit der Gabe von Ambene als Tablette, aufzuklären.

Vom Hausarzt unseres Mandanten wurde zu diesem Zeitpunkt auch die bestehende neuerogene Blasenentleerungsstörung diagnostiziert. Trotzdem erfolgte keine notfallmäßige Überweisung ins Krankenhaus.

Notfall: Einlieferung ins Krankenhaus

Nachdem sich der Zustand unseres Mandanten zu Hause weiter verschlechterte, informierte die Ehefrau unseres Mandanten am 07.10.2020 den Notarzt, woraufhin die umgehende Einlieferung ins Krankenhaus erfolgte.

Behandlungsfehler Schmerzensgeld

Hier finden Sie unseren Beitrag zum Thema Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Diagnose: Spritzenabszess und inkompletter Querschnitt

Dort wurde in Folge der intramuskulären Gabe von Ambene ein Spritzenabszess festgestellt, der bei unserem Mandanten zu einem inkompletten Querschnitt führte.

Noch während der akuten Behandlungszeit unseres Mandanten wandte sich dessen Ehefrau an uns mit der Bitte um anwaltliche Unterstützung bei der Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche gegenüber dem Hausarzt.

Ergebnisse unserer Recherche: Fehlende Zulassung und Aufklärung

Nach Anforderung und Auswertung sämtlicher Behandlungsunterlagen wurde unsererseits die weitere Recherche gestartet. Dabei stellte sich heraus, dass das vom Hausarzt verabreichte Ambene nicht für die beim unserem Mandanten bestehenden Rückenbeschwerden zugelassen war. Daneben ergab sich aus den Herstellerangaben des Präparats, dass keinerlei Vorteil der Verabreichung von Ambene als intramuskuläre Injektion gegenüber der oralen Gabe als Tablette besteht.

Kurz gesagt: Es besteht die identische Wirksamkeit bei Einnahme einer Tablette, wie bei einer Spritzengabe.

Fehlende Aufklärung über Behandlungsalternativen

Über diese Möglichkeit, nämlich die Einnahme von Ambene als Tablette anstatt einer intramuskulären Spritze wurde unser Mandant zu keinem Zeitpunkt aufgeklärt.

Aufklärungsfehler

Hier finden Sie unseren Beitrag zum Thema Aufklärungsfehler.

Klage und gerichtliche Verfahren

Vor diesem Hintergrund wurde der Hausarzt durch uns mit der Haftung konfrontiert. Nachdem die Haftpflichtversicherung des Arztes eine außergerichtliche Einigung ablehnte, wurde Klage gegen den Hausarzt erhoben.

Gutachten: Bestätigung der Behandlungsfehler

Durch das Landgericht wurden im gerichtlichen Verfahren zwei Sachverständigengutachten auch neurochirurgischem und allgemeinmedizinischem Fachgebiet in Auftrag gegeben. Durch die Gutachten wurde bestätigt, dass durch den Hausarzt zwei grobe Behandlungsfehler begangen wurden.

Sachverständigenmeinung: Grobe Behandlungsfehler

Die Sachverständigen stellten dabei klar, dass eine nicht indizierte intramuskuläre Injektion von Ambene als grober Behandlungsfehler zu werten ist und daneben die fehlende sofortige Reaktion auf die neuerogene Blasenentleerungsstörung einen groben Behandlungsfehler darstellt.

Der Wunsch des Patienten und die Pflicht des Arztes

Durch den Hausarzt wurde mehrfach vorgetragen, dass unser Mandant explizit nach einer Spritze verlangt hätte. Diesbezüglich wurde durch die Sachverständigen klargestellt, dass auch ein Wunsch des Patienten nach einer bestimmten Behandlung nicht als Kriterium der Indikationsstellung verwendet werden darf.

Konkret bedeutet dies: Der Wunsch eines Patienten nach einer bestimmten Behandlung entbindet den Arzt grundsätzlich nicht von seiner Pflicht zur Indikationsstellung. Erschwerend kam vorliegend hinzu, dass der angeblich geäußerte Wunsch nach einer Spritze unerheblich ist, wenn dem Patienten Behandlungsalternativen, in Formen von milderen Verabreichungsformen (Tablette <=> Spritze) nicht bekannt sind.

Vergleich: Erfolgreiche Einigung im Verfahren

In dem Verfahren konnten wir für unseren Mandanten einen Vergleich über eine Zahlung i.H.v. 250.000,00 € erwirken.

Team Patientenanwälte Engelhardt

Sollten Sie ebenfalls Opfer eines Behandlungsfehlers geworden sein oder den Verdacht auf einen Behandlungsfehler haben, wenden Sie sich gerne an uns. Als Patientenanwälte stehen wir Ihnen zur Seite!

Aufklärungspflicht bei intramuskulärer Injektion: Fazit

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Vor der Verabreichung einer Spritze in Form einer intramuskulären Injektion, ist der Patient in jedem Fall über Behandlungsalternativen, insbesondere in Form von milderen Verabreichungsformen, aufzuklären.

Der explizite Wunsch eines Patienten nach einer bestimmten Behandlung entbindet den Arzt nicht von seiner Pflicht über bestehenden Risiken und Alternativen aufzuklären.

Der Wunsch eines Patienten nach einer Schmerzspritze entbindet den Arzt insbesondere nicht von seiner Pflicht zu prüfen, ob eine Spritzengabe überhaupt indiziert ist.

FAQ

Was ist eine intramuskuläre Injektion?

Eine intramuskuläre Injektion ist eine Methode, Medikamente direkt in den Muskel zu spritzen. Dies wird oft verwendet, um Medikamente schnell und direkt in den Blutkreislauf zu bringen.

Was ist die Aufklärungspflicht des Arztes bei einer intramuskulären Injektion?

Vor der Verabreichung einer intramuskulären Injektion hat der Arzt die Pflicht, den Patienten über Behandlungsalternativen aufzuklären. Insbesondere muss der Arzt über mildere Verabreichungsformen informieren, falls diese vorhanden sind.

Warum ist die Aufklärung über Behandlungsalternativen wichtig?

Die Aufklärung über Behandlungsalternativen ermöglicht es dem Patienten, informierte Entscheidungen über seine Gesundheitsversorgung zu treffen. Darüber hinaus kann die Kenntnis über Alternativen dazu beitragen, unnötige Risiken zu vermeiden.

Was sind die Konsequenzen, wenn der Arzt den Patienten nicht über Behandlungsalternativen aufklärt?

Wenn der Arzt den Patienten nicht ordnungsgemäß über Behandlungsalternativen aufklärt, kann dies als grober Behandlungsfehler gewertet werden. In solchen Fällen kann der Patient Anspruch auf Schadensersatz haben.

Kann der Wunsch des Patienten nach einer bestimmten Behandlung die Aufklärungspflicht des Arztes aufheben?

Nein, der Wunsch des Patienten nach einer bestimmten Behandlung entbindet den Arzt nicht von seiner Pflicht, über bestehende Risiken und Alternativen aufzuklären. Der Arzt muss den Patienten auch dann über Behandlungsalternativen informieren, wenn der Patient einen bestimmten Wunsch äußert.

Was sollte ein Patient tun, wenn er den Verdacht auf einen Behandlungsfehler hat?

Wenn ein Patient den Verdacht auf einen Behandlungsfehler hat, sollte er sich an einen Patientenanwalt wenden. Ein Patientenanwalt kann den Fall prüfen und dem Patienten bei der Geltendmachung etwaiger Ansprüche gegenüber dem Arzt helfen.

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