Bei einem Aufklärungsfehler gilt: Keine automatische Einwilligung in eine Operation durch die Unterschrift unter dem Aufklärungsbogen.
Viele Betroffene eines Behandlungsfehlers gehen davon aus, dass sie durch ihre Unterschrift unter dem Aufklärungsbogen ihre Rechte abgegeben haben.
Diese Annahme ist jedoch grundsätzlich falsch. Was tatsächlich gilt, erfahren Sie in diesem Blog-Beitrag!
Inhalt
- Aufklärungsfehler: Was ist zu beachten?
- Die Unterschrift auf dem Aufklärungsbogen
- Was bedeutet der unterschriebene Aufklärungsbogen?
- FAQ
1. Aufklärungsfehler: Was ist zu beachten?
Generell sind insbesondere zwei Dinge zu beachten:
- In einen Behandlungsfehler kann nicht durch eine ärztliche Aufklärung und eine Unterschrift unter dem Aufklärungsbogen eingewilligt werden!
- An die Aufklärung vor einer Operation sind hohe Ansprüche zu stellen. Das Überreichen eines Aufklärungsbogens und eine Unterschrift darunter genügt gerade nicht.
Da jeder Eingriff in den Körper zunächst eine Verletzung des Körpers darstellt, braucht jeder Arzt eine vorherige Einwilligung des Patienten in diese Körperverletzung.
Diese Einwilligung bekommt der Arzt, indem er den Patienten vor dem Eingriff mündlich über die Risiken aufklärt und dem Patienten dadurch die Möglichkeit gibt, diese Risiken abzuwägen und anhand der Abwägung für sich zu entscheiden, ob er mit dem geplanten Eingriff einverstanden ist, oder eben nicht.
Soweit die Theorie.
In der Praxis findet eine mündliche Aufklärung oftmals nur spärlich, oder überhaupt nicht statt. Stattdessen wird oftmals lediglich ein Aufklärungsbogen überreicht, anhand dessen sich der Patient selbst die Risiken der OP durchlesen soll.
Darüber hinaus wird dem Patienten auch oftmals nicht die Möglichkeit gegeben, die durch die Operation bestehenden Risiken abzuwägen und anschließend eine überlegte Entscheidung zu treffen.
2. Die Unterschrift auf dem Aufklärungsbogen
Unmittelbar nach, wenn überhaupt erfolgter mündlicher Aufklärung und Übergabe des Aufklärungsbogens, wird die Unterschrift des Patienten unter dem Aufklärungsbogen verlangt.
Der BGH hat diesbezüglich bereits klargestellt, dass zwischen der Aufklärung selbst und dem operativen Eingriff genügend Bedenkzeit liegen muss, damit dem Patienten die Risken-Nutzen Abwägung möglich ist.
In einem aktuellen Urteil des OLG Bremen wird nun darüber hinaus klargestellt, dass nicht nur zwischen der Aufklärung und dem operativen Eingriff eine ausreichende Bedenkzeit liegen muss, sondern auch zwischen dem Aufklärungsgespräch und der Einwilligung, die durch Unterzeichnung des Aufklärungsformulars erteilt wird.
Im Leitsatz des OLG Bremen, Urteil vom 25.11.2021 – 5 U 63/20 (LG Bremen) heißt es hierzu:
- Da nach § 630e Abs. 2 Nr. 2 BGB die Aufklärung über die Risiken einer Operation so rechtzeitig zu erfolgen hat, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann, ist eine Einwilligung, die durch Unterzeichnung des Aufklärungsformulars unmittelbar nach dem Ende des Aufklärungsgesprächs erfolgt, im Regelfall unwirksam, weil dieser zeitliche Ablauf dem Patienten nicht die Möglichkeit eröffnet, den Inhalt des Aufklärungsgesprächs so zu verarbeiten, dass er sich wohlüberlegt entscheiden kann (im Anschluss an OLG Köln, BeckRS 2019, 2369, FD-MedizinR 2019, 415278 m.Anm. Etterer).
- Die Annahme einer konkludenten Einwilligung des Patienten durch die spätere stationäre Aufnahme ins Krankenhaus wird regelmäßig daran scheitern, dass einerseits dem Patienten das für die Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung notwendige Erklärungsbewusstsein fehlen wird und andererseits das Krankenhaus dem Verhalten des Patienten keinen Erklärungswert beimessen wird, solange beiden das Bewusstsein der Unwirksamkeit der Einwilligung fehlt.
Dieses aktuelle Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf sämtliche Fälle, in denen keine oder keine ausreichende Aufklärung erfolgt ist.
3. Was bedeutet der unterschriebene Aufklärungsbogen wirklich?
In Fällen, in denen eine Aufklärung nicht ausreichend oder überhaupt nicht erfolgt ist und dieser Aufklärungsfehler vom Patienten gerügt wird, wird vom Arzt oder Klinikum oftmals lediglich auf den unterzeichneten Aufklärungsbogen verwiesen.
Als Argumentation führt der Arzt oder das Klinikum weiter an, dass anhand des unterzeichneten Aufklärungsbogens ersichtlich ist, dass der Patient ausreichend über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt wurde und ausweislich der unter dem Aufklärungsbogen befindlichen Unterschrift dennoch in den Eingriff eingewilligt hat.
Diese Argumentation des Arztes dürfte durch das oben genannte Urteil nun in vielen Fällen hinfällig sein, da die Unterzeichnung des Aufklärungsbogens in den meisten Fällen – fälschlicherweise – unmittelbar im Anschluss an das Aufklärungsgespräch erfolgt.
Das Urteil stellt diesbezüglich nun unmissverständlich klar, dass die im unmittelbaren Anschluss an die Aufklärung erfolgte Unterzeichnung des Aufklärungsformulars keine rechtswirksame Einwilligung darstellt und diesbezüglich auch keinen Beweiswert hat.
Darüber hinaus stellt das Urteil in Satz 2 klar, dass auch die spätere stationäre Aufnahme nicht als entsprechende Einwilligung in die Risiken der Operation gewertet werden kann, da dem Patienten hierzu das Erklärungsbewusstsein fehlt.
Sollten Sie Opfer eine Aufklärungsfehlers geworden sein oder vermuten, dass bei Ihrer Operation gepfuscht wurde, stehen wir Ihnen gerne zur Seite! Sie erreichen uns unter 0941 – 20 600 850 oder per Mail an kontakt@engelhardt-rechtsanwalt.de.
4. FAQ zum Thema ärztliche Aufklärung und Aufklärungsfehler
Wo sind die Aufklärungspflichten meines Arztes gesetzlich geregelt?
Ihr Recht als Patient auf Aufklärung ergibt sich aus Ihrem Selbstbestimmungsrecht über Ihre Person, welches Ausdruck der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ist. Nur bei einer wirksamen Aufklärung können Sie in Ihren ärztlichen Eingriff auch wirksam einwilligen. Die Aufklärungspflichten sind in § 630e Bürgerliches Gesetzbuch geregelt.
Welche Informations- und Aufklärungspflichten hat mein Arzt bei meiner Behandlung?
Als Patient müssen Sie umfassend und verständlich über Ihre Behandlung informiert und aufgeklärt werden. Die Aufklärung sollte die erforderlichen Untersuchungen, die Diagnose und die beabsichtigte Therapie bis hin zur voraussichtlichen gesundheitlichen Entwicklung abdecken. Eine solch umfassende Information und Aufklärung umfasst auch Ihre individuellen Risiken und Chancen der Behandlung.
Stehen mehrere Behandlungsmöglichkeiten zur Auswahl, die aber mit unterschiedlichen Belastungen, Risiken und Heilungschancen verbunden sind, muss Sie Ihr Arzt auch diesbezüglich aufklären. Wie ausführlich die Aufklärung erfolgen muss, hängt auch von der medizinischen Indikation und den alternativen Behandlungsmöglichkeiten ab. So muss Ihr Arzt Sie etwa bei einer geplanten Schönheitsoperation ausführlicher über Alternativen, Belastungen, Risiken und Heilungschancen aufklären als bei einer lebensnotwendigen Herzoperation ohne echte Alternative.
Sollte es im Laufe Ihrer Behandlung zu einem Behandlungsfehler gekommen sein, haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen auch das Recht darüber informiert zu werden. Ihr Arzt muss Sie aber nicht nur über mögliche Risiken aufklären, sondern in manchen Fällen auch über möglicherweise anfallende Kosten. Das gilt insbesondere dann, wenn für Ihren Arzt erkennbar ist, dass die Kosten der Behandlung durch Ihre Krankenversicherung nicht erstattet werden oder deren Übernahme noch nicht geklärt ist.
Vor Beginn einer solchen Behandlung müssen Ihnen die voraussichtlichen Kosten in Textform, das heißt: auf einem dauerhaften Datenträger, zum Beispiel Papier, E-Mail oder USB-Stick mitgeteilt werden. Ein allgemeiner Hinweis, dass Sie die Behandlung selbst bezahlen müssen, reicht nicht aus.
Wie sollte meine Aufklärung ablaufen?
Grundsätzlich muss die Aufklärung über Ihre Behandlung in einem persönlichen Gespräch mit Ihrem Arzt erfolgen. Sie müssen in der Lage sein, bei aufkommenden Fragen diese direkt zu stellen. Dabei darf Ihr Arzt zu Ihrer Information auch schriftliche Unterlagen wie Aufklärungsbögen, mit einbeziehen. Jedoch dürfen solche Aufklärungsbögen das persönliche Gespräch nicht ersetzen. So reicht es nicht aus, wenn Ihnen Ihr Arzt vor Ihrer Behandlung einen bereits ausgefüllten Aufklärungsbogen überreicht, ohne diesen ebenfalls mit Ihnen zu besprechen.
Grundsätzlich sollte der Inhalt des Aufklärungsbogens auch vollumfänglich mit Ihnen mündlich besprochen werden. Viele Ärzte versuchen durch das „Umkringeln“ von Punkten auf dem Aufklärungsbogen zu zeigen, dass über diese Punkte gesprochen wurde. Vergewissern Sie sich vor Unterzeichnung, dass über diese Punkte tatsächlich gesprochen wurde und Sie diese Punkte auch verstanden haben.
Schriftstücke wie Aufklärungsbögen und Informationsblätter, die Sie im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet haben, müssen Ihnen im Anschluss an Ihre Aufklärung als Kopie ausgehändigt werden.
Wie sollte mein Arzt mit mir sprechen?
Die Aufklärung muss für Sie verständlich sein. Ihr Arzt muss sich deshalb so ausdrücken, dass Sie den Erläuterungen und Erklärungen auch folgen können und diese verstehen können.
Wer darf und wer muss mich aufklären?
Das Aufklärungsgespräch muss durch Ihren behandelnden Arzt selbst oder eine Person erfolgen, die dazu ausgebildet ist, die jeweilige Behandlung durchführen zu können. Eine medizinische Fachangestellte oder ein Krankenpfleger dürfen zum Beispiel die Aufklärung nicht stellvertretend für Ihren Arzt übernehmen; ein Assistenzarzt unter Umständen jedoch schon.
Wann muss mein Arzt mich aufklären?
Ihr Aufklärungsgespräch muss rechtzeitig vor Ihrer Behandlung stattfinden. Wann die Aufklärung als rechtzeitig gilt, richtet sich nach der Art und der Dringlichkeit Ihrer Behandlung. Im Fall einer Impfung reicht es zum Beispiel aus, wenn Ihr Arzt Sie unmittelbar vor Ihrer Impfung aufklärt. Bei einer geplanten Operation sollte die Aufklärung hingegen grundsätzlich mehrere Tage vor dem Eingriff erfolgen müssen.
Befinden Sie sich instationärer Behandlung, soll die Aufklärung jedoch in der Regel spätestens am Tag vor Ihrer Behandlung erfolgen. Bei einer ambulanten Behandlung kann Ihre Aufklärung noch am Tag der Behandlung stattfinden, muss aber von der Behandlung deutlich abgegrenzt sein.
Sie sollten in jedem Fall genügend Zeit haben, sämtliche Fragen zu stellen und Gelegenheit haben, Ihre Entscheidung nochmals zu überdenken. Sie sollten ohne unnötigen Druck entscheiden und das Für und Wider der Behandlung abwägen können.
Je nach Behandlungssituation sollten Sie in der Lage sein, weitere Informationen bzw. eine Zweitmeinung einzuholen. Keinesfalls sollte Ihre Aufklärung erst dann erfolgen, wenn Sie bereits unter Schmerz- und Beruhigungsmitteln medikamentös auf Ihre Operation vorbereitet wurden, da Ihre Erkenntnis- und Entscheidungsfreiheit in diesem Moment in aller Regel nicht mehr gegeben ist.
Wann darf mein Arzt auf meine Aufklärungverzichten?
Nur in besonderen Ausnahmefällen darf auf Ihr Aufklärungsgespräch verzichtet werden. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn bei Ihnen ein Notfall vorliegt und Ihre Behandlung deshalb nicht aufgeschoben werden kann. Verletzen Sie sich beispielsweise bei einem Unfall lebensbedrohlich und sind bewusstlos, sind sofort Erste-Hilfe-Maßnahmen erforderlich. Ein vorheriges Aufklärungsgespräch wäre in diesem Fall nicht möglich.
Auch wenn Sie ausdrücklich auf Ihr Aufklärung verzichten, muss Ihr Arzt Sie nicht aufklären und ist von seiner Aufklärungspflicht befreit.
Hinweis: Dieser Beitrag wurde in Kooperation mit Herrn RA Engelhardt erstellt.
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