Übersicht:
- I. Rechtliches Gehör im Arzthaftungsprozess
- II. Folge ist eine Rückzahlungsforderung der Unfallversicherung.
I. Rechtliches Gehör im Arzthaftungsprozess
(BGH (VI. Zivilsenat), Beschluss vom 02.07.2024 – VI ZR 240/23 (BGH Beschl. v. 2.7.2024 – VI ZR 240/23, BeckRS 2024, 21908, beck-online)

In diesem Prozess ging es um einen ärztlichen Behandlungsfehler. Der gerichtliche Sachverständige hatte festgestellt, dass ein Behandlungsfehler nicht vorlag. Daraufhin hatte sich die Klägerseite mit Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten an das Gericht gewandt. Die Anwälte der Klägerseite hatten hierzu medizinisch relevante Ausführungen getätigt. Zudem wurde eine erneute Sachverständigenanhörung beantragt. Dies wurde abgelehnt und daraufhin die Klage abgewiesen.
Der Bundesgerichtshof hat mit diesem aktuellen Beschluss entschieden, dass auch Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten der Kläger zu berücksichtigen sind und nicht ohne weiteren richterlichen Hinweis übergangen werden dürfen. Gericht hätte die Parteien vor Klageabweisung darauf hinweisen müssen. Der Antrag auf eine erneute Anhörung des Sachverständigen wurde zu Unrecht abgelehnt. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass das Oberlandesgericht damit das rechtliche Gehör der Klägerseite verletzt hatte und deswegen das Verfahren zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht wird daher den Sachverständigen erneut anhören müssen und das Vorliegen eines Behandlungsfehlers erneut prüfen müssen.
Die Entscheidung ist richtig und zu begrüßen. Für die Patienten ist es entscheidend, dass Sie mit Einwendungen gegen die Ausführungen eines gerichtlichen Sachverständigen gehört werden und diese nicht einfach übergangen werden. Daran zeigt sich auch, dass im Arzthaftungsprozess durch einen versierten Rechtsanwalt im Medizinrecht auch gegen ein ungünstiges Sachverständigengutachten vorgegangen werden kann und dadurch der Gerichtsprozess entscheidend beeinflusst werden kann.
II. Konkrete Verweisung eines Profisportlers in der Berufsunfähigkeitsversicherung
OLG Karlsruhe, Urteil vom 5.12.2024 – 12 U 34/24 BeckRS 2024, 36406
Der Kläger war Profifußballer und hatte eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Er verdiente bis zu einer Knieverletzung im Jahr 2014 als Fußballer ein Jahresgehalt von bis zu 587.000,00 Euro. Zunächst erkannte der Versicherer die Berufsunfähigkeit an und zahlte die vereinbarten Leistungen. Zwischenzeitlich wechselte der Kläger leidensbedingt und wurde dann Torwarttrainer. Dabei erzielte er im Jahr 2022 ein Einkommen in Höhe von 97.000,00 Euro. Die spätere Beklagte führte ein Nachprüfungsverfahren durch und verwies den Kläger auf seine neue Tätigkeit als Torwarttrainer und kündigte die Leistungseinstellung an. Dagegen ging der Kläger vor Gericht und wollte eine Weiterzahlung der Leistungen erreichen. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen, da das Landgericht die Voraussetzung der konkreten Verweisung als erfüllt ansah.
Diese Entscheidung hielt jedoch vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe nicht stand. Dieses führte zutreffend aus, dass die Tätigkeit „in gesunden Tagen“ als Torwart mit der Tätigkeit als Torwarttrainer verglichen werden muss. Falls das Einkommen und die soziale Wertschätzung hinter den in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zurückbleiben, kommt eine Verweisung auf die neue Tätigkeit als Torwarttrainer nicht in Betracht. Hier lag ein Verlust von circa 75 % des ursprünglichen Bruttoeinkommens vor. Zudem ist die Tätigkeit als Torwarttrainer in ihrem sozialen Ansehen niedriger als diejenige des in der Öffentlichkeit stehenden Torwarts zu bewerten. Die Argumente des Versicherers waren aus der Sicht des Oberlandesgerichts nicht stichhaltig. So wurde zutreffend entschieden, dass es für die Verweisung nach dem sogenannten Stichtagsprinzip auf den zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Beruf ankommen muss.
Die aktuelle Entscheidung zeigt, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung gerade auch im Bereich besonderer Berufe – wie dem des Profisportlers – immer die konkret ausgeübte Tätigkeit versichert. Ist die Ausübung dieses Berufs nicht mehr möglich und nur noch eine vergleichsweise unterwertige Tätigkeit möglich, so muss die Berufsunfähigkeitsversicherung auch leisten, da andernfalls der Versicherungsschutz vor dem Einkommensverlust durch Berufsunfähigkeit gerade nicht abgesichert ist. Dies muss für Versicherungsnehmer jeder Einkommenshöhe gelten. Daher ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe eine erfreuliche und konsequente Fortführung der Rechtsprechung zur konkreten Verweisung.
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